Bericht

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Workshop "Radioastronomie" in Effelsberg

von Thomas Biedermann,
(Arbeitsgemeinschaft Jugend forscht des Christian-Gymnasiums Hermannsburg)
Inhalt:
Vorgeschichte
Ein Rundgang durch das Teleskop
Am höchsten Punkt: Besuch im Primärfokus
Antriebstechnik des Teleskops
Arbeit in den Labors
Vorstellung unseres Projektes
...und viele schöne Erinnerungen!

Das 100 m Radioteleskop in Effelsberg in Wartungsposition

Vorgeschichte


Blick vom Primärfokus des Teleskops auf den Gebäudekomplex des MPIfR in Effelsberg. Vorne in der Bildmitte sieht man die Steuerzentrale, dahinter das Gästehaus, links und rechts die beiden Laborflügel.


Ein kleiner Mittagsimbiss  im Wohnzimmer eines der Appartements, die uns vom Institut zur Verfügung gestellt wurden

Seit nunmehr schon fast zwei Jahren beschäftigen sich Schülerinnen und Schüler unserer Schule mit dem Radioastronomieprojekt. Wie bereits im Bericht vom Mai 2012 erwähnt, werden wir dabei vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn unterstützt, das auch das 100-m-Teleskop in Effelsberg betreibt. 

Vor einigen Monaten erhielten wir eine Einladung nach Effelsberg, um dort vor Ort das Teleskop kennen zu lernen und im Rahmen eines mehrtägigen Workshops praktische Erfahrungen zu sammeln.

Und nun endlich war es so weit: vom 29.09. bis 02.10.2013 traten wir unsere Reise nach Effelsberg an. 
Unsere Ankunft am Sonntagabend wurde gekrönt von einem ersten Blick aus nächster Nähe auf das beeindruckende Instrument, das uns die nächsten drei Tage intensiv beschäftigen würde. 
Untergebracht waren wir im Gästehaus des MPIfR, der Workshop fand in den Labors und der Bibliothek des Instituts stand.

Okay, auf dem Gelände war natürlich Handy-Verbot (wegen der dabei entstehenden Störstrahlung), aber das nahmen wir gerne in Kauf!

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Ein Rundgang durch das Teleskop

Während unseres Aufenthaltes hatten wir mehrfach Gelegenheit, in das Teleskop hineinzusteigen und seine Technik kennen zu lernen. Dabei erhielten wir einen beeindruckenden Einblick von der Größe dieses Instrumentes: zum Erreichen des Elevationslagers auf etwa halber Höhe führen Fahrstühle in den beiden Hauptträgern bis in eine Höhe von 50 m, alle weiteren Wege führen dann über Stahlgitterroste, die oft einen freien Blick bis zum tief darunter liegenden Erdboden zulassen - nichts für Leute mit Höhenangst!


Blick durch die Gitterroste auf den Erdboden

Der Reflektor ist auf einer kreisförmigen, in den Boden eingelassenen Schiene horizontal frei drehbar (Azimut). Das Lager, mit dem der Spiegel vertikal geschwenkt werden kann (Elevation), befindet sich in ca. 50 m Höhe. Damit sich der Reflektor, der eine Parabelform aufweist, beim Schwenken nicht verformt, wird er auf der Rückseite mit einer komplizierten Stützkonstruktion versteift, diese ist so berechnet, dass die sich laufend ändernden Verformungskräfte abgefangen und so kompensiert werden, dass nur Abweichungen von der Idealform im Millimeterbereich auftreten.

Um zum Primärfokus zu gelangen, muss der Reflektor in eine von zwei Spezialpositionen gefahren werden: 
steht er in einem Winkel von 7°, kann man von der Ebene des Elevationslagers aus in einem der vier Stützen nahezu waagerecht den Primärfokus erreichen, 
steht er in der 90°-Position, wird der Weg deutlich beschwerlicher, denn nun führt der gleiche Weg über eine steile Leiter nach oben (oder nach unten). 

Welcher Winkel gewählt wird, hängt davon ab, welche Arbeiten gerade anstehen. In der 7°-Position können mit einem am Primärfokus montierten Kran schwere Lasten - z.B. Empfangssysteme - vom Boden aus nach oben transportiert werden. Um diese dann in die entsprechende Halterung einzusetzen, muss der Reflektor dann in die 90°-Position gefahren werden.


Stützstreben auf der Rückseite des Reflektors, dieser zeigt derzeit nach oben 


In der 7°-Position des Reflektors kann man in einem der Tragarme bequem zum Primärfokus gelangen

Eine andere Methode der Radioastronomie kommt ohne einen beweglichen Spiegel aus. Wie man von oben gut sehen kann, befinden sich auf dem Gelände in Effelsberg zwei derartige stationäre Antennenfelder. Deren "Blickrichtung" kann dadurch bestimmt werden, dass man die Laufzeiten der Signale zu den einzelnen Antennensegmenten auswertet und in eine Richtungsinformation umwandelt.
Der charakteristische Spiegel ist nicht das einzige Empfangssystem in Effelsberg

Aufstieg aus dem Kellergeschoss unter dem Spiegel zur Steuerzentrale

Die Steuerzentrale ist das Herzstück der Anlage: hier laufen alle Signale zusammen, werden in den umliegenden Messlabors verarbeitet und im Rechenzentrum gespeichert. Der Operator hat jederzeit einen Blick auf das Teleskop und alle relevanten Daten. Hier müssen sich auch alle Personen an- und wieder abmelden, die in das Teleskop einsteigen.
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Am höchsten Punkt: Besuch im Primärfokus

Die vom Spiegel reflektierte Strahlung wird in einem Punkt gebündelt, den man "Fokus" nennt. Dieser befindet sich in einiger Entfernung vor dem Spiegel und liegt auf seiner Rotationsachse. An dieser Stelle kann man Empfangsantennen anbringen, um die aufgefangene Strahlung zu messen. 
Platziert man an dieser Stelle einen weiteren - kleineren - Reflektor, bündelt dieser die Strahlung in  einem zweiten Brennpunkt knapp über der Spiegeloberfläche, dort befindet sich dann ebenfalls ein Fokus. Ersteren nennt man "Primärfokus", letzteren "Sekundärfokus".

Diese Anordnung hat unter anderem den Vorteil, dass man mehrere Empfangssysteme montieren kann, zwischen denen im laufenden Betrieb umgeschaltet wird, was die Umrüstzeiten deutlich reduziert. Außerdem können vor allem im Sekundärfokus mehrere Systeme nebeneinander angeordnet werden, die auf unterschiedliche Wellenlängen oder Messaufgaben ausgelegt sind.


Blick auf den Primärfokus: man erkennt die vier Tragarme und den Reflektor für den Sekundärfokus, in der Mitte ragt eine Empfangseinheit mit vier verschiedenen Antennen heraus, die sich im primären Fokus befinden


Blick auf den Sekundärfokus: die kreisförmigen Komponenten sind die Eintrittsfenster für die verschiedenen Empfangsantennen

Oberhalb des Primärfokus befindet sich eine Kabine in der Größe eines kleinen Reisebusses, in der diverse Messsysteme und Analysegeräte untergebracht sind. Besonders spannend ist die Fahrt in dieser Kabine, wenn die Elevation von 7° auf 90° gefahren wird, weil dann der Boden zur Wand wird. 


Bei der Fahrt von der 7°-Position in die Senkrechte wird die Wand zum Boden und der Boden zur Wand


In der Primärfokuskabine ist reichlich Platz für die einzelnen Komponenten

Die Geräte werden mit einem Kran in die Kabine gehoben und dort entweder in einer Parkposition zwischengelagert oder in den Fokusschacht eingesetzt. Bei jedem Wechsel der Empfangseinheit muss dazu die Kabine in die 90°-Position gefahren werden.


Blick in den Fokusschacht: hier werden die Empfangssysteme mit dem Kran eingesetzt, sodass die Antennenöffnungen in Richtung des Spiegels ausgerichtet sind. Stellmotoren erlauben die genaue Ausrichtung auf den eigentlichen Brennpunkt. Der schmale Grat am unteren Ende der Öffnung verhindert, dass die Geräte aus dem Schacht herausfallen können. 


Die Empfangssysteme sind etwa so groß wie eine Telefonzelle - hier ein Blick auf die eingebaute Kühlanlage

Nach dem Einsetzen der Empfangssysteme in den Fokusschacht können sie sowohl von hier aus als auch aus der Steuerzentrale überprüft werden. Dicke Kabelbäume sind mit den Systemen verbunden und führen über mehrere Hundert Meter bis in das Hauptgebäude, wo die Signale ausgewertet werden.
Bis die Geräte überprüft sind, dauert es eine gewisse Zeit. Diese kann man gut nutzen, um vom Dach der Kabine aus die Umgebung zu betrachten. Neben dem Kran sind dort auch Messsysteme montiert, die die Strahlung in Blickrichtung des Teleskops kontrollieren.


Blick auf die Instrumentenbrücke im Primärfokus mit diversen Analysegeräten 


Ausstieg auf das Dach der Primärfokuskabine in schwindelnder Höhe. Doch von dort hat man eine hervorragende Aussicht auf das umgebende Gelände!


Blick vom Dach der Kabine auf die Umgebung 


Höher geht es nicht: Gruppenphoto auf dem Dach der Primärfokuskabine!


Abstieg aus der Kabine: da nun der Spiegel in 90°-Position steht, muss man die sehr steile Treppe benutzen. Rechts sieht man den Laufsteg, über den man in 7°-Position zur Kabine gelangen konnte

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Antriebstechnik des Teleskops

Der Quotient von zu messender Wellenlänge und Spiegelduchmesser bestimmt die Winkelauflösung, also den kleinsten Winkel, unter dem zwei Strahlungsquellen noch unterschieden werden können. Bei einem Teleskop wie in Effelsberg liegt dieser in der Größenordnung von Bogensekunden (eine Bogensekunde ist 1/3600 Grad).
Zur Veranschaulichung: verteilt man einen Winkel von 90° auf eine 90 m (= 90 000 mm) lange Strecke, ergeben sich 1000 mm pro Grad. Unterteilt man diese 1000 mm in 60 Bogenminuten (1° = 60 '), ergeben sich nur noch 16,7 mm pro Bogenminute. Eine weitere Unterteilung in Bogensekunden (1' = 60'') ergibt nur noch eine Strecke von 0,278 mm.
Um den über 3500 t schweren Hauptspiegel des Teleskops in Effelsberg mit der erforderlichen Genauigkeit bewegen zu können, sind also extrem präzise Antriebe nötig. Dabei verwendet man das Prinzip gegenläufiger Antriebe, wobei jeweils zwei Elektromotoren ein Drehmoment in entgegengesetzter Richtung erzeugen. Sind die Drehmomente gleich, steht der Spiegel still. Ändert man nun das Drehmoment eines der beiden Motoren, so bewegt sich der Spiegel in die Richtung des Antriebs mit dem höheren Drehmoment. In der Regel optische Bewegungssensoren erfassen dabei die Bewegung und erlauben eine präzise Positionierung des Spiegels. 


Die Steuerungstechnik für die Antriebsmotoren nimmt einen ganzen Container ein, der sich auf der untersten Ebene des Teleskops befindet


Für den Elevationsantrieb des Reflektors treibt das rote Getriebe den gekrümmten Zahnkranz mit einer Genauigkeit von 0,3 mm an


Blick auf die beiden Elevationsgetriebe, der kleine Zylinder rechts mit dem rechteckigen Sichtfenster enthält den eigentlichen Elektromotor

Für die Azimutbewegung ist das Teleskop auf einer kreisrunden Schiene gelagert, deren Oberfläche auf 1/10 mm genau ausgerichtet ist. Sie besteht aus einem Spezialstahl und ist ca. einen halben Meter tief in einen Betonsockel eingelassen, der auf einem bis zu 40 m tief reichenden Fundament gegründet ist. Mehrere Antriebsblöcke erlauben - ebenfalls nach dem Prinzip gegeneinander verspannter Antriebe - ein millimetergenaues Fahren des gesamten Teleskops über einen Winkel von ca. 500°.


Einer von mehreren Rollensätzen zur Bewegung des Teleskops zur Einstellung des Azimutwinkels. Vorne unten links erkennt man die etwa 20 cm breite Stahlschiene.


Blick auf den Kommutatorsatz eines der Azimutmotoren, diese müssen etwa alle drei Monate gewartet werden.

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Arbeit in den Labors
Radioastronomie hat natürlich viel mit Physik zu tun, und die dabei benötigten Inhalte stehen nicht unbedingt auf dem Lehrplan einer Schule. Um alle Teilnehmer des Workshops auf den entsprechenden Stand zu bringen, gab es deshalb zuerst eine gut verständliche Einführung in die physikalischen Grundlagen und die dabei zu verwendenden Begrifflichkeiten.


Einführung in die Physik in der Bibliothek des Instituts

Bei der Radioastronomie geht es nicht nur um die Verarbeitung der Signale, sondern es ist auch eine Menge Begleitechnik erforderlich. So müssen z.B. viele Komponenten zum Teil bis auf 15 K (ca. -258 °C) abgekühlt werden. Dafür unterhält das Institut ein eigenes Kryo-Labor, in dem die dazu erforderliche Aggregat- und Messtechnik fortwährend optimiert und weiterentwickelt wird.


Besuch des Kryo-Labors

Zentraler Bestandteil unseres Besuches war natürlich der Workshop zur Hochfrequenztechnik. Im HF-Labor standen für uns mehrere Experimente bereit, die wir unter Anleitung mit sowohl klassischen als auch modernsten Messgeräten durchführen konnten. Wir konnten aber auch unsere eigenen, extra dafür mitgebrachten Materialien nutzen, um unsere Messmethoden mit denen der "Profis" vergleichen zu können.


Planung der eigenen Laborarbeiten


Messung an einem offenen Wellenleiter zur Bestimmung der Schwingungsknoten und -bäuche einer an einem Ende eingespeisten Hochfrequenzschwingung


Bestimmung des Rauschverhaltens einer Rauschquelle mit einem Frequenzanalysator im Bereich bis zu 2,7 GHz

Die der Reihe nach durchzuführenden Experimente hatten einen steigenden Komplexitäts- und Schwierigkeitsgrad. Zunächst ging es um die Ausbreitung von Wellen in Wellenleitern und den zugehörigen Messmethoden. Anschließend wurden Frequenzspektren von diskreten Signalquellen, dann auch von Rauschquellen vermessen sowie der Einfluss verschiedener Leitungsabschlüsse untersucht. Und nachdem wir zuschauen konnten, wie mit flüssigem Stickstoff eine der Antennen im Primärfokus vermessen wurde, haben wir auch an einem unserer Verstärker erfolgreich dessen Rauschtemperatur bestimmen können.


Vorbesprechung eines Experimentes zur Bestimmung der Rauschtemperatur


Auszug aus einer Mitschrift: Bestimmung des Wellenwiderstands des Vakuums (oben), Charakterisierung von Mehrpolen durch ihre Streuparameter (unten)
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Vorstellung unseres Projektes
Am Dienstag ergab sich noch eine außergewöhnliche Einladung zu einem Kolloquium, das am späten Vormittag im Institut stattfinden sollte. Nachdem wir dort zuhören konnten, wie sich die Zusammenarbeit mit China beim Aufbau eines 110-m-Radioteleskops gestaltet, durften wir vor dem versammelten Fachpublikum unser Radioastronomieprojekt vorstellen. Dabei konnten wir auch unseren Messaufbau zum Vermessen von Frequenzgängen vorstellen (es hat tatsächlich auf Anhieb funktioniert!). In der sich anschließenden Diskussion erhielten wir zahlreiche hilfreiche Tipps für unsere weitere Arbeit und viel Anerkennung für die bereits umgesetzten Projekte!  


Vorstellung  unseres Projektes vor den Mitarbeitern des MPIfR

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...und viele schöne Erinnerungen!
Dieser Besuch war für uns alle unglaublich eindrucksvoll. Nicht nur die freundliche Atmosphäre, sondern auch die Bereitschaft von allen Mitarbeitern, uns etwas zu zeigen und zu erklären hat uns sehr beeindruckt. Und dann konnten wir uns auch auf dem gesamten Gelände frei bewegen (okay, vom Sicherheitsbereich unter der "Schüssel" haben wir uns fern gehalten), was uns auch in den Nächten eine tollen Eindruck und bleibende Bilder hinterlassen hat.

Rechts auf dem Boden liegt der im Vergleich zum Effelsberger Reflektor doch recht klein wirkende 4-m-Spiegel, wie wir ihn auch an unserer Schule haben. Und wir freuen uns, dass wir damit einen - und es sei es auch noch so kleinen - Beitrag zur radioastronomischen Forschung leisten können.


Abendsonne auf dem nach Süden ausgerichteten Teleskopspiegel


Das Teleskop bei Nacht...


... und mit einem Jufo-Stern als Schattenspiel


Unsere ganze Radioastronomie-"Truppe" direkt auf dem Refelktor des Teleskops
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